Einmal um Gomera und zurück

Was in den 80ern zum Lebenszweck vieler sandalierten Spontis gehörte, das kann ich von hier aus in zwei Tagen segeln. Donnerstag Abend warteten wir in Tazacorte auf dem Nachbarboot von Cornelius noch auf den verspäteten Mechaniker Raúl, und als Martin von der Zeitlupe noch vorbei kam wurde es spät. Statt Freitag um 04:00 Uhr kam ich erst um 08:30 aus dem Hafen und dementsprechend spät auf der Nachbarinsel La Gomera an. Es sollte Folgen haben.

Das Ziel war nicht die Marina San Sebastián im Nordosten sondern Playa Santiago im Süden, noch einmal um die Insel herum, 70 Seemeilen. Dort stand im Revierführer gutes Ankern neben dem Hafen und da ich nach Sonnenuntergang ankommen würde, war das am besten. Am Tag darauf wieder früh los, dann aber südlich um La Gomera herum und etwas mehr am Wind die 60 Seemeilen zurück nach La Palma. Von der Großwetterlage her kein Problem: nur halber Wind oder maximal full and by. Wetter sonnig bis bewölkt and die Wellen keine 2m, also los.

Route um La Gomera Grün Hinweg, rot Rückweg
Tazacorte Breakwater 1 Südteil – der Vorhafen
Tazacorte Breakwater 2 Der Mittelteil – Anlegestelle für die seltenen Fähren
Tazacorte Breakwater 3 Nordteil – der äußere Hafen, dahinter die Marina
Ein Panorama in die Caldera de Taburiente mit innenliegender Wolkendecke. Ursprünglich war dies der Westrand des großen Kraters mit einem Durchmesser von 21 km. Als der Rand einbrach entstand der Einschnitt mit Tazacorte am unteren Ende.
Über dem neuen Vulkan, dem schwarzen Berg hinter dem Doppelhügel vorn rechts, entsteht oft eine Wolke aus Gasen und Wasserdampf aus der Restwärme des Gesteins.
Fuencaliente – die Südspitze von La Palma. Der Name kommt von der warmen Heilquelle (fuente caliente) „Fuente Santa“, die es hier im 16. und 17. Jahrhundert gab.

Nachdem ich die Westseite von La Palma mit Wind 1 bis 2 nach Süden motorte, überfiel uns der Kapeffekt vor Fuencaliente mit 30 Knoten, Kreuzsee an der Südspitze inklusive. Das geht von jetzt auf gleich in wenigen Metern und Minuten, aber man sieht es an den Wellenkämmen. Vorrausschauend Reffen entspannt. Das Groß war im zweiten Reff und die neue Fock im ersten. Die Überfahrt durch die Beschleunigungszone war dann ordentliches Segeln bei 4 bis 5 und den schönen Atlantikwellen.

Es war wie auf dem Weg hierher, das Boot holte sich aus jedem Wellental von selbst wieder heraus. Rosebud lief zwischen 6 und 9 Knoten und die NW Spitze von La Gomera war um 16:00 Uhr querab. Noch über 5 Stunden bis zum Sonenuntergang.

Die Rosebud ist mittlerweile wieder fast leer. Nicht nur der meiste Proviant von vor einem Jahr ist im Haus oder gegessen, sondern auch die Wäsche ist von Bord. Ich hatte einiges davon mit genommen und im Haus dann festgestellt, dass alles den dezenten Bootsgeruch von Diesel, Pipi und „unter der Spüle“ angenommen hatte. Das waren dann 6 oder 7 Waschmaschinen und die Schränke im Gästezimmer sind fast voll. Jetzt bringe ich nur das aufs Boot, was wir brauchen. Aber es war auch eine besondere Situation vor zwei Jahren: in eine Pandemie zu starten, deren Verlauf soweit unklar war, dass es auch hätte sein können, für viele Wochen ohne Landkontakt zu sein. Zum Glück ging der Plan aber auf.

Nicht im Plan war die Nordseite von La Gomera, denn die nervt. Passierdauer 2 Stunden geplant. Wegen Wind weg und Gegenstrom wurden es über 3. An der Ostseite nach Süden war mit 4 Knoten auch wieder langsam, selbst 2 Seemeilen vor der Küste gibt es Gegenströmungen, wegen der massiven Passatströmung zwischen den Inseln.

Die Nordwestspitze von La Gomera
Von der Nordseite von Gomera kann man Teneriffa im Norden sehen – besser gesagt den Teide, Spaniens höchsten Berg.
Die Nordseite von La Gomera ist dem Passat ausgesetzt. Hier sind weder Häfen noch Ankerbuchten.

Als ich Santiago erreiche ist es dunkel und der 100% Vollmond dieser Nacht noch nicht aufgegangen. Ich ankere also nach den Mäusekinos und höre die andere schreckliche Auswirkung des „Full Moon Summers“: lauteste Musik vom Hafen her. Die astronomische Besonderheit der Erdmondnnähe dient hier auf den Inseln jedem zum Feiern wann, wie lange und so laut er will!

So laut, dass der Rumpf vibriert. Warum machen die das? Das ist doch die gleiche Sorglosigkeit, mit der sie das Meer vermüllen, nur diesmal akustisch. Nur weil die Bässe seewärts keine Risse in den Häusern versursachen ist das doch noch lange nicht ok! Ich ankere knapp vor dem Ufer aber weit von der Hafeneinfahrt und die 3,7m Wassertiefe steigen zum Hochwasser auf 5,3m. Nach der Ankerprobe schalte ich den Ankeralarm ein, hole Decken an Deck und schlafe ein.

Als ich eine Stunde später wach werde, hat der Wind uns raus gedreht und zum Glück ist die gelbe Schwimmzonen Ballkette auch nicht im Ruder hängen geblieben. Jetzt schallt die Musik direkt von achtern ins Cockpit. Ich sollte in eine andere Bucht fahren, aber nicht bei Dunelheit und ich kenne das hier nicht. Ich versuche mich in den Schlaf zu schreien, aber keiner hört mich. Immer wieder noch ein Zugabe, es ist jetzt kurz nach Mitternacht. Die müssen doch mal aufhören. Tun sie, aber erst um 3 und dann auch nur für 5 Minuten, dann kommt die nächste Band und stampfte das Polka Heyheyhey in die Bucht.

Sonneaufgang auf dem Weg um die Südspitze der Insel La Gomera. An der aufgewühlten See erkennt man schon die nahende Beschleunigungszone.

Wie lange sie noch spielten weiß ich nicht. Um 03:30 fahre ich zurück nach La Palma. Etwas früher als geplant und die zweite Nacht mit kaum Schlaf. Zum Glück ist auf dem Wasser so gut wie nichts los zwischen den Inseln. Selbst die Schnellfähren sieht man nur mit Glück. Ich habe auf der Fahrt nur drei andere Boote gesehen. Auch die Fischer sind viel weniger nervig als vor dem Festland. Sie fahren in der Regel entweder richtig weit raus oder lassen sich in Hafennähe treiben. Das reicht hier für volle Netze. Ich kann also im Cockpit bis zum Sonnenaufgang um 07:40 eindösen und alle halbe Stunde nachsehen, dass das AIS keinen übersehen hat. Nur der Diesel rattert, welch Ruhe!

Kurz nach Sonnenaufgang überfällt uns vor der Südwestspitze La Gomeras wieder die Beschleunigungszone. Diesmal mit 35 Knoten und 3 Meter Welle. Das ist auch normal so, denn die beiden Inseln Teneriffa und Gomera bilden einen gemeinsamen Bogen an ihren Westseiten. Sie zwingen den Nordostpassat nacheinander zum Beschleunigen und lenken ihn dabei noch um einige 10 Grad nach Westen ab.

Rückfahrt bei 25 Knoten Wind im geschützten Cockpit im T-Shirt.

Das lässt sich der Wind natürlich nur ungern bieten und reagiert mit Tempo und zwei Wellensystemen um La Gomera herum, die sich unten links treffen. Ich nehme das Groß ins dritte Reff wobei leider wieder das Vorliek auf 10cm ausreißt. Da muss ein stärkeres Material hin, im Winter. Bis dahin wird es mit meinem Provisorium gehen.

Nachdem mir gestern nicht ganz so hübsch war (sagt der Berliner wenn es ihm echt nicht gut geht), versuche ich jetzt noch einmal die Rindfleischsuppe aus der Metro. Das hatte mit Tobias auf der Ostsee gar nicht geklappt, weil sie 1:7 verdünnt werden muss. Das geht auf einem Boot nicht. Deshalb habe ich sie zu Hause vorbereitet und mit Reis gepimpt, dann eingefroren und so den Kühlschrank an Bord schon mal beschleunigt. Aber es schmeckt noch immer nicht. Ich kippe sie ins Meer, Thema erledigt.

Die erste Hälfte der Überfahrt liegt die Geschwindigkit bei 9 Knoten. 20 Seemeilen vor der Südspitze La Palmas schwächelt dann der Wind runter auf 20 Knoten. Da ich zu müde zum Ausreffen bin, fahren wir nur noch 7 Knoten, die aber konstant und um 12:30 hole ich im Windschatten von La Palma die Segel runter.

Wieder Fuencaliente, diesmal aber bei besserer Sicht,

Die restlichen 2 Stunden bis Tazacorte räume ich auf und repariere die paar Kleinigkeiten, die kaputt gegangen sind. Ich mache die Festmacher noch mal hübsch, weil ich nicht weiß, ob und wer mir beim Anlegen hilft. Eine schöne Vorspring nach hinten bis zum Cockpit für die Rettung im Notfall und alle Fender raus.

Das Halbwindrigg mit eingehängten Bullenstander iund der neuen Fock.

Als ich um 14:35 Uhr bei kaum Wind in die Box gleite hilft mir Cornelius mit den Leinen. Sein Motor ist noch nicht fertig, Raúl kann heute nicht.

Groß im zweiten Reff und einer schonen Form für ein Rollsegel. Dies liegt vor allem am geschlossenen Unterliek und den Segellatten.
Wieder zurück, um die Verbotszone vor der Lava noch herum, dann in die Marina, links am Fuß des Bergkrates.

Ich frage den Segelmacher Andrés vier Boote weiter nach meinem Vorliek, aber er winkt ab. Das ist zu kompliziert, das muss jemand mit Erfahrung in Rollgroß machen. Und er sieht es so: stärkeres Material und komplett neu von oben bis unten, die ganzen 14 Meter. Das war mir so noch nicht klar, nach dem Bimini, das er für die Rosebud genäht hat. Aber die Scheuerstellen am Bimini, die patcht er noch.

Der Weg von La Palma nach La Gomera Grün Hinweg, rot Rückweg
Die Beschleunigungszonen im Westen der Kanaren wenn der Nordostpassat weht.. Dies tzt er seit drei Monaten konstant.

Das war anstrengend und wäre es auch mit Schlaf gewesen. Aber es ist wunderbares Atlantiksegeln hier. Die Beschleunigungszonen sind wie eine Lupe für den Wind und eine prima Übung für den Ozean. Man ist einfach sofort im Atlantik und hat den großen Vorteil, dass da noch ein paar Inseln dazwischen sind, die es weniger langweilig machen. Als nächstes fahre ich nach El Hierro, zum alten Nullmeridian.

Ein Kommentar zu „Einmal um Gomera und zurück

  1. Hallo Ralf,
    eindrücklicher Bericht! Wie schön, dass Rosebud gut in Form ist und immer noch so weich durch die Wellen geht!
    Hartmut

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